Tagebaulandschaften 4: Natur in der Bergbaufolgelandschaft
Natur in der Bergbaufolgelandschaft
Mit beeindruckendem Tempo hat sich die Natur die einstmals kargen Tagebaue zurück erobert. In vielen Fällen ist natürlich bei der Rekultivierung durch Anpflanzungen nachgeholfen worden. Aber selbst dort, wo ganz natürliche Sukzessionen stattfinden konnten, ist die Geschwindigkeit der Veränderungen enorm. Das wird leicht sichtbar im Bildvergleich von Aufnahmen über Längere Zeiträume vom gleichen Standort.
1: Nordostböschung des Störmthaler Sees unterhalb von Störmthal-Güldengossa im Dezember 2006. 2: Das etwa gleiche Gebiet im März 2014. 3: Aussschnitt aus dem gleichen Bereich im Sommer 2017.
Bei Wanderungen durch die Bergbaufolgelandschaften wird man erhebliche Unterschiede in der Vegetation feststellen können. Eine Ursache ist natürlich die Bepflanzung mit verschiedenen Baumarten im Zuge der Rekultivierung, wie sie beispielsweise in den verschiedenen Waldparzellen der Neuen Harth sichtbar wird. Kiefern, Lärchen und Eichen sind wichtige Baumarten der aufgeforsteten Bereiche. Aber selbst dort, wo nicht gepflanzt wurde, stellen sich unterschiedliche Pflanzengesellschaften ein. Hier spielen Bodenchemismus, Wasserhaushalt und verfügbare Nährstoffe eine entscheidende Rolle. Besonders heterogene Bodenverhältnisse können sich auf alten Kippen Bereichen einstellen. In Abhängigkeit von den dort früher verkippten Substraten wechseln verschiedene Substrate auf engem Raum. Geschiebemergel und Löss aus dem Quartär bilden die Basis für die Bildung guter Böden und begrünen sich schnell. In pyritreichen tertiären Sanden und Schluffen hingegen entstehen durch Pyritverwitterung auch extrem saure Standorte, in denen nur sehr säuretolerante Pionierpflanzen ein Auskommen finden. Manchmal bleiben solche Bereiche lange nahezu vegetationsfrei und ausgehagert, zumal wenn sie auch noch bekiest sind.
4: Bekiester Uferbereich Nordufer des Markkleeberger Sees. Rechts im Bild eine Erlenparzelle mit interessanter Pilzflora. 5: Ganz in der Nähe befindet sich am unteren Hauptweg eine angepflanzte Kiefernparzelle.
Der Wasserhaushalt der Böden ist ein weiteres Kriterium. An flachen Uferbereichen der Seen, im grundwassernahen Bereichen, haben sich Erlen und Weiden angesiedelt, ebenso auch Birken und Espen. Die gleichen Baumarten finden sich auch sonst im Gelände: in feuchten Senken, an Wassergräben und an Grundwasseraustritten. Auch in trockeneren Bereich mit saurem Untergrund dominieren Birken und Espen sowie eingestreute Kiefern. Kiefern und auch Lärchen sind aber oft auch angepflanzt. So schütter die Vegetation in den bodensauren, ausgehagerten Bereichen auch aussieht: In diesen Rohbodengesellschaften spielt sich eigentlich der interessantere Teil der natürlichen Sukzession ab.
6: Kippengelände am Südufer des Markkleeberger Sees im März 2016. Der saure Untergrund ist nur von einer schütteren Vegetation bedeckt. Viele Stellen bleiben Kahl und nahezu ausschließlich Birken bilden einen lockeren Baumbestand. An solchen Stellen ist auch Sanddorn konkurrenzstark.
7: Die pyritreichen Grauen Formsande aus dem Oligozän bilden einen sehr sauren Untergrund. Über etliche Jahre sind deshalb einige Flächen an der Grunaer Bucht vegetationslos geblieben.
Grundwasseraustritte aus pyritreichen tertiären Schichten bilden besonders extreme Standorte. Die frei werdende Säure kann den pH-Wert teilweise unter 4 drücken und Brauneisenausfällungen färben die Umgebung ockergelb bis rotbraun. Aber selbst an diesen Stellen ist Leben im Wasser und auch einige Pflanzen und Pilze tolerieren die extrem sauren Verhältnisse.
8: Am nördlichen Ufer des Störmthaler Sees hat sich dieser "Ockersee" gebildet. Er wird von Zuflüssen aus den pyritreichen oligozänen Meeressanden gespeist.
9: Wasseraustritte aus den oligozänen Meeressanden führen schnell zur Verockerung der Umgebung und stellen extrem saure Standorte dar.
In der natürlichen Sukzessionsfolge bilden unter den Bäumen und Sträuchern vor allem Birken, Espen, Kiefern und Sanddorn den wesentlichen Anteil an den Gehölzen auf sauren, nährstoffarmen Böden. Wo Geschiebemergel und Löss bessere Bodenverhältnisse bieten, siedeln sich auch anspruchsvollere Gehölze und Pflanzen an.
Trotz ihrer Kargheit findet man auf den sandigen Rohböden interessante Pflanzengesellschaften. Neben den Pioniergehölzen sind das zunächst diverse Flechten und Moose, die ihrerseits wieder bestimmten Pilzen eine geeignete Umgebung bieten. Diverse Pflanzen kommen ebenfalls mit den kargen Verhältnissen zurecht.
10: Bekieste Fläche auf oligozänem Meeressand am Störmthaler See. Der Untergrund ist sauer und der Kies bildet ein schwer bespielbares Substrat.
11 und 12: Flechten und Moose bilden oft die erste Pioniervegetation auf den sauren, sandig-kiesigen Böden. 13: Auf trockeneren, sandigen Böden hat sich das Nelkenköpfchen angesiedelt. 14: Der Kleine Ampfer kann feuerrot daher kommen und leuchtende Farbtupfer setzen.
Schon auf nahezu vegetationsfreien Flächen siedeln sich Pilze an, beispielsweise 15: Sandborstlinge (Geopora sp.), 16: Rötlicher Lacktrichterlinge (Laccaria laccata) und 17: Mooshäublinge (Galerina sp.)
Dort, wo sich auf dem kargen Untergrund Pionierbäume angesiedelt haben, trifft man auch deren klassische Mykorrhizapartner unter den Pilzen an - natürlich Arten, die in dieser sauren Bodenumgebung existieren können. In der natürlichen Sukzessionsfolge sind es vor allem Pilze, die an Birken, Espen, Weiden und Kiefern gebunden sind. Diese Baumarten kommen natürlich auch auf besseren Böden vor, aber dann oft mit anderen Pilzen vergesellschaftet.
Wichtige Laubbäume der Pioniergesellschaften auf sauren Böden: 18 Birke (Betula); 19 Espe (Populus), 20 Weide (Salix) und 21 Erle (Alnus).
Pilze an Laubbäumen: 22: Birkenpilz (Leccinum scabrum), 23: Espen-Rotkappe (Leccinum albostipitatum, an Espe), 24: Rosascheckiger Pappelmilchling (Lactarius pubescens, an Espen), 25: Genatterter Schleimfuß (Cortinarius trivialis aggr., unter Espen), 26: Erlen-Krempling (Paxillus rubicundulus, unter Erlen), 27: Erbsen-Streuling (Pisolithus), wurde bei Birken, Espen und Kiefern beobachtet.
Pilze an Kiefern: 28: Butterpilz (Suillus luteus) 29: Kuhröhrling (Suillus bovinus), 30: Frostschneckling (Hygrophorus hypothejus).
Auf basischen bis neutralen Geschiebemergeln und Lössen haben sich inzwischen zahlreiche Pflanzen mit entsprechenden Bodenansprüchen eingefunden. Besonders augenfällig ist das an den nördlichen Ufern des Störmthaler und Markkleeberger Sees, wo Geschiebemergel und Löss noch im natürlichen Schichtverband liegen. Zusätzlich sorgt hier noch eine stärkere Erwärmung der südlich bis südwestlich exponierten Hänge für Lebensmöglichkeiten mancher thermophilen Arten. Der Weinberg am Störmthaler See nutzt die günstige Situation ebenfalls.
40: Echtes Tausendgüldenkraut (Centaurium erythraea) am Zwenkauer See, 41: Golddisteln (Carlina vulgaris) am Störmthaler See, 42 Braunrote Sitter (Epipactis atrorubens) vom Rande der Neuen Harth.
43: Am Störmthaler See kommen Morcheln (Morcheln esculenta aggr.) an Weiden vor. 44: Bei Kiefern auf basischen Böden sind Edelreizker (Lactarius deliciosus) zu finden. 45: Im Gras auf Geschiebemergel haben sich am Störmthaler See inzwischen Saftlinge eingefunden (Kegliger oder Schwärzender Saftling, Hygrocybe conica aggr.).
Am und im Flachwasser haben sich ebenfalls interessante Pflanzengesellschaften eingefunden: Die Schilfgürtel sind augenfällig und Schilf wächst auch noch an extrem sauren Standorten, ebenfalls Rohrkolben. An vielen Stellen trifft man inzwischen aber auf eine reichhaltigere Flora am und im Wasser, so in der Göselschlucht am Störmthaler See oder am Hochwassereinlaufbauwerk am Zwenkauer See.
46: Gifthahnenfuß (Ranunculus sceleratus) und 47: Bach-Ehrenpreis (Veronica beccabunga) in der Gösel am Störmthaler See. 48: Tannenwedel (Hippuris vulgaris) vom Ufer der Grunaer Bucht.
49: Kleinblütige Weidenröschen-Art (Epilobium sp.) und 50: Fruchtstand davon. 51: Blutweiderich (Lythrum salicaria). Alle drei Aufnahmen entstanden am Hochwasserschutzeinlaufbauwerk am Zwenkauer See.
Tierwelt
Auch die Tierwelt an den Tagebauseen im Leipziger Südraum ist sehr vielfältig geworden. Besonders fallen natürlich vor allem Tiergruppen auf, die mit dem Leben am und im Wasser verbunden sind, vor allem Insekten und andere Kleintiere. Die Aufforstungen und verschiedenen Geländetypen an den Seen bieten natürlich zahlreichen auch sonst in Mitteleuropa heimischen Arten geeignete Lebensräume. Abseits der von Intensivlandwirtschaft geprägten engeren und weiteren Umgebung der Tagebauseen bieten vor allem die zahlreichen Blütenpflanzen in der Bergbaufolgelandschaft ein Dorado für Insekten. Das kann man beispielsweise leicht am Reichtum an Schmetterlingen nachempfinden. Nachfolgend einige Schappschüsse für einen kurzen Einblick in die bunte Vielfalt.
52: Weibchen der Wespenspinne (Argiope bruennichi) 53: Wasserläufer (Gerris sp.) auf der Oberfläche eines extrem sauren, verockerten Tümpels. 54: Männchen der Becher-Azurjungfer (Enallagma cyathigerum), 54: Kopulationsrad einer Kleinlibelle (Art unbestimmt).
55: Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedalus caerulescens), 56: Ameisen-Sackkäfer (Clytra laeviuscula), 57: Rosenkäfer (Certonia aeruginosa), 58: Oxythyrea funesta.
59 Pinselkäfer (Trichius cf. fasciatus), 60: Hauhechel-Bläuling (Polyommatus icarus) , 61: Distelfalter (Cynthia cardui).
62: unbestimmter Kleinschmetterling, 63: Wollschweber (Bombylius cf. major) an Blüten der Knoblauchsrauke, 64: Wanze auf Rainfarn.
65: Kleiner Wasserfrosch (Pelophylax lessonae), 66: Zauneidechse (Lacerta agilis) in Brombeerdickicht, 67: Ringelnatter (Natrix natrix).
68: Neuntöter (Lanius collurio) auf seinem Hochsitz.