Geologie & Natur in Mitteldeutschland

Prof. Dr. Arnold Müller - Geologe / Paläontologe
Teufelsmauer

Mitteldeutsches Trockengebiet: Flora und Vegetation

Frauenschuh
Frauenschuh (Cypripedium calceolus).

Die unterschiedlichen Pflanzenvergesellschaftungen und Standorte können nach verschiedenen Kriterien bewertet werden. Ein wichtiges Kriterium ist der Reichtum seltener und mehr oder weniger gefährdeter Arten. Unter diesem Gesichtspunkt sind xerotherme Standorte auf Gips, Anhydrit, Muschelkalk oder auch Löss im Kern des Trockengebietes besonders interessant. Trockenrasen verschiedener Ausprägung, Gebüsche und Trockenwälder zeichnen sich durch einen großen Reichtum andernorts seltener Arten aus und sind deshalb heute häufig als Naturschutzgebiete ausgewiesen.

Pflanzenvergesellschaftungen werden heute mit einer sehr komplexen Terminologie erfasst und klassifiziert. Dazu kann man sich in der entsprechenden Fachliteratur informieren. Anstelle dieser Terminologie nachfolgend eine erste grobe Annäherung:

Xerotherme Rasen (Trockenrasen als Voll- und Halbtrockenrasen) gehören zu den besonders charakteristischen und artenreichen Xerothermbiotopen der Region, besonders auf basischen Gesteinen. Neben den typischen "Zeigerpflanzen" der Vergesellschaftungen (beispielsweise Gamanderarten und Kalk-Blaugras in Volltrockenrasen) siedeln zahlreiche Orchideen, Graslilien, Frühlingsadonisröschen oder Enziane auf den xerothermen Rasenflächen. Eine ganze Anzahl seltener Pilze gesellt sich dazu..

Xerotherme Gebüsche mit Wolligem Schneeball und Waldsäume vermitteln zu den warmen Traubeneichen-Hainbuchen-Trockenwäldern. Ihre Säume zeichnen sich durch bunte Mischungen aus Hain-Wachtelweizen, Blutrotem Storchschnabel und Blaurotem Steinsame aus. Im Waldesinneren sind u. a. diverse Orchideen (Cephalantera- und Epipactis-Arten) zu finden. Je nach Untergrund, Ausrichtung zur Sonne und Feuchtigkeit sind zahlreiche Modifikationen zu beobachten (und pflanzensoziologisch klassifiziert). Die thermophilen Wälder zeichnen sich auch durch einen großen Reichtum von Pilzen aus, darunter sehr seltene Arten mit mediterranem Verbreitungsschwerpunkt.


Trockenrasen
Trockenrasen auf den Muschelkalkhängen bei Karsdorf/Unstrut

Volltrockenrasen

Volltrockenrasen sind vor allem an besonders sonnnenexponierten und warmen Plätzen entwickelt. In der Regel betrifft das die Oberhangbereiche der südlich ausgerichteten Talhänge auf Muschelkalk, Rötgesteinen oder Anhydriten/Gipsen aus Zechstein und Keuper. Dort existiert häufig auch nur eine schüttere Bodendecke (Syroseme und Rendzina-Varianten) und Festgestein oder Gesteinsschutt treten oberflächlich aus. Die Hänge können sich im Sommer unter intensiver Sonneneinstrahlung extrem erwärmen (bis um 50°C im bodennahen Bereich) und austrocknen. Dann sehen sie fahl und farblos aus, doch mit ergiebigem Regen erwachen sie zu neuem Leben.

Auf basischen Böden (Muschelkalk, Oberröt) charakterisieren Gamanderarten (Gattung Teucrium) und das Blaugras (Sesleria caerulea) die Volltrockenrasen ("Teucrio-Seslerietum"). Dazu gesellen sich Graues Sonnenröschen (Helianthemum canum), Astlose Graslilie (Anthericum liliago), Pferdesesel (Seseli hippomarathrum) und einige weitere Arten. Im zeitigen Frühjahr bilden die Blütenstände der Zwergseggen (Carex humilis) oft einen dominaten Teil des Frühlingsaspekts. Orchideen wie Fliegen- und Spinnenragwurz (Ophrys insectifera und O. sphegodes) und andere besiedeln ebenfalls die Volltrockenrasen, sind aber nicht auf diese beschränkt. Lokal kommen extrem seltene Arten wie die Kleine Felsenkresse (Hornungia petreae) vor. Sie besiedeln auch die felsige Simse der Muschelkalksteilhänge. In den Geröllfluren alter Muschelkalkbrüche sind übrigens ähnliche Vergesellschaftungen zu finden.

Volltrockenrasen
1) Hügelgamander (Teucrium montanum), 2) Edelgamander (T. chamaedrys), 3) Graues Sonnenröschen (Helianthemum canum), 4) Apenninen-Sonnenröschen (Helianthemum apenninum), 5) Kleine Felsenkresse (Hornungia petraea) und 6) Kalk-Blaugras (Sesleria caerulea).


Halbtrockenrasen
Subkontinentaler Halbtrockenrasen auf Muschelkalkmit Adonis vernalis.

Halbtrockenrasen

Abseits der extrem sonnenexponierten und steilen Hängen steigen die Temperaturen nicht so stark an und der Boden (oft mit Lössauflage) trocknet nicht so schnell aus. Der Untergrund sorgt in der Regel für basische bis neutrale Böden.

Im Trockengebiet ist die Gemeinschaft kontinentaler oder subkontinentaler Halbtrockenrasentypisch, welche sich oft mit orchideenreichen Halbtrockenrasen submediterranen Charakters verzahnen. Fiederzwenke (Brachypodium pinnatum) und Furchen-Schwingel (Festuca rupicola) sind typische Gräser. Auch Steppen- oder Federgrasrasen mit Federgräsern der Gattung Stipa kommen stellenweise vor.

Im Frühlingsaspekt sind Frühlings-Adonisröschen (Adonis vernalis) und Gewöhnliche Kuhschelle (Pulsatilla vulgaris) besonders auffällig. Etwas später blühen Tragantarten und an wärmeren Plätzen stellen sich Orchideen in größerer Zahl ein. Zahlreiche weitere Arten sind an den Standorten beteiligt (u.a. vom Bodenchemismus abhängig). Im Herbst klingt die Blütezeit mit den Enzianen aus (vor allem Fransen-Enzian, Gentianopsis ciliata).

Halbtrockenrasen
1) Stengelloser Tragant (Astragalus exscapus), 2) Dänischer Tragant (Astragalus danicus), 3) Ähriger Ehrenpreis (Pseudolysimachium spicatum), 4) Ästige Graslilie (Anthericum ramosum) und 5) Gewöhnliche Kugelblume (Globularia punctata).


Keupergips
Wie ein Wall zieht sich bei Hemleben (Schillingstädter Mulde) der Heldburggips aus dem Keuper durch die Landschaft, begleitet von artenreichen Trocken- und Halbtrockenrasen, auch in den Äckern der Nachbarschaft.

Trockenrasen auf Gips

Subkontinentale Trockenrasen auf Anhydriten und Gipsen teilen viele Arten mit ähnlichen Standorten auf Muschelkalk. Manche Arten sind aber an die speziellen Verhältnisse des Sulfatuntergrundes angepasst und kommen nur dort vor. Dazu gehört das Ebensträußige Gipskraut (Gypsophila fastigiata). Es kann an manchen Stellen durchaus dichte Populationen bilden, ist aber außerhalb der Gipsgebiete am Kyffhäuser und im Thüringer Becken sehr selten. Manche Flechten und Pilze sind ähnlich spezialisiert.

An den Spatenbergen bei Hemleben (Schillingstädter Mulde) verzahnen sich Trockenrasen mit der Flora angrenzender "Gipsäcker". Dabei fällt eine individuenreiche Population des sonst selten gewordenen Acker-Wachtelweizens (Melampyrum arvense) auf, die sich in die angrenzenden Felder ausdehnt, begleitet vom Zottigen Spitzkiel (Oxytropis pilosa). In den angrenzenden Getreideäckern findet man Acker-Haftdolde (Torilis arvensis), Rundblättriges Hasenohr (Bupleurum rotundifolium) und andere seltene Arten.

Gipsflora
1) Ebensträußiges Gipskraut (Gypsophila fastigiata), 2) Zottige Fahnenwicke (Oxytropis pilosa), 3) Rundblättriges Hasenohr (Bupleurum rotundifolium), 4-5) Acker-Wachtelweizen (Melampyrum arvense) und 6) Acker-Haftdolde (Caucalis platycarpos).


Bottendorfer Hügel
Auf dem Bottendorfer Hügel begleiten solche kahlen, oft völlig vegetationsfreien Flächen den oberflächennah verbreiteten Kupferschiefer.

Schwermetallrasen

Der Bottendorfer Hügel ist aufgrund seiner speziellen Geologie ein botanischer Brennpunkt. Auf nur wenigen Hektar Land treten silikatische Gesteine aus dem Rotliegend (Konglomerate, Sandsteine) sowie Karbonate, Sulfate und der Kupferschiefer aus dem Zechstein an die Oberfläche. Natürlicher Kupferschieferausstrich und Altbergbau führen zu einer punktuell hohen Schwermetallbelastung des Bodens.

Auf den silikatischen Böden blühen im Frühling Salep-Knabenkraut (Orchis morio) und Gemeine Kuhschelle (Pulsatilla vulgaris). Wenig später folgen Galmei-Grasnelke (Armeria maritima elongata) und Federgräser (Stipa capillata). Auf den basischen Böden der Zechsteinkarbonate und -sulfate sind Frühlings-Adonisröschen (Adonis vernalis) und Deutscher Enzian (Gentianopsis germanica verbreitet. Eine Besonderheit sind die Schwermetallrasen auf Gesteinen der Zechsteinbasis und auf Altbergbauflächen. Nur wenige Arten tolerieren die hohe Schwermetallbelastung. Dazu gehören Galmei- Grasnelke (Armeria maritima elongata) und Herzynische Miere (Minuartia caespitosa). Weitere Arten siedeln noch bis dicht an die stark belasteten, kahlen Flächen.

Schwermetallrasen
1) Galmei-Grasnelke (Armeria maritima elongata), 2) Herzynische Miere (Minuartia caespitosa), 3) Kleines oder Salep-Knabenkraut (Orchis morio), 4) Deutscher Enzian (Gentianopsis germanica) und 5) Pfriemengras (Stipa capillata).


Wachtelweizensaum
Thermophiler Waldsaum mit Hain-Wachtelweizen (Melampyrum nemorosum) und Ästiger Graslilie (Anthericum ramosum)

Thermophile Waldsäume und Gebüsche

Waldränder an sonnenexponierten, warmen Plätzen auf basischen bis neutralen Böden (Muschelkalk, Löss u.a.) entwickeln von Mai bis Juni/Juli eine besondere Farbenpracht. Zunächst bringt der Purpurblaue Steinsame (Lithospermum purpurocaeruleum) ein leuchtendes Blau an den Waldrand. Wenig später folgt der Blutrote Storchschnabel (Geranium sanguineum) als Charakterart der thermophilen Waldsäume und lokal gesellt sich der durch seinen exotischen Geruch auffällige Diptam (Dictamnus albus) hinzu. Ebenso ist an einigen Plätzen der Hirschwurz (Peucedanum cervarium) verbreitet. Im Sommer bestimmt oft der Hain-Wachtelweizen (Melampyrum nemorosum) das Bild, zuweilen begleitet vom Kamm-Wachtelweizen (M. cristatum).

Thermophile Waldsäume und Gebüsche werden auch gerne von verschiedenen Orchideen angenommen. Das Purpurknabenkraut zieht oft von den Halbtrockenrasen in benachbarte, lichte Waldbereiche ein, während Cephalanthera-Arten (Waldvögelein) vom Waldesinneren bis an den Waldrand gehen. Ein Waldsaum ist also eine typischer Überlappungsbereich verschiedener Pflanzengesellschaften.

Waldsaum
1) Blauroter Steinsame (Lithospermum purpurocaeruleum), 2) Diptam (Dictamnus albus), 3) Blutroter Storchschnabel (Geranium sanguineum), 4) Kamm-Wachtelweizen (Melampyrum cristatum), 5) Hain-Wachtelweizen (Melampyrum nemorosum) und 6) Ebensträußige Margarite (Tanacetum corymbosum).


Helm-Knabenkraut
Dieses Helm-Knabenkraut (Orchis militaris) blüht nicht ganz typisch. Es könnte sich um einen Bastard mit dem Affen-Knabenkraut (Orchis simia) handeln.

Orchideen

Das mitteldeutsche Trockengebiet ist reich an Orchideen. Insbesondere die wärmebegünstigten Hänge an Saale und Unstrut mit ihren basischen Böden auf Muschelkalk beherbergen eine artenreiche Orchideengesellschaft. 26 Arten werden von dort angegeben - das ist sehr viel für eine flächenmäßig begrenzte Region. Aufgrund ihrer Farbenpracht und interessanten Blütenformen gehören Orchideen sicher zu den attraktivsten Pflanzen der heimischen Flora. Neben einigen häufigeren Arten wie etwa dem Purpur-Knabenkraut (Orchis purpurea) sind viele andere Arten als ausgesprochen selten einzustufen.

Die meisten Orchideen kommen auf xerothermen Rasenflächen, in Gebüschen und lichten Trockenwäldern vor - Standorte, die heute oft gefährdet sind. Besonders die Verbuschung bereitet in den Naturschutzgebieten Probleme. Zahlreiche dieser offenen Flächen sind erst durch mittelalterliche Schafhutung entstanden und verbuschen wieder, wenn die Beweidung ausbleibt. Natürliche Offenflächen waren vor Beginn der Weidewirtschaft rar und man kann davon ausgehen, dass die submediterranen Orchideengesellschaften vordem nur an sehr wenigen natorlichen Plätzen vorkamen.

Orchideen
1) Pyramiden-Hundswurz (Anacamptis pyramidales), 2) Stattliches Knabenkraut (Orchis mascula), 3) Herbst-Wendelorchis (Spiranthes spiralis), 4) Bienen-Ragwurz (Ophrys apifera), 5 )Spinnen-Ragwurz (Ophrys sphegodes), 6) Dreizähniges Knabenkraut (Orchis tridentata), 7) Vogel-Nestwurz (Neottia nidus-avus) und 8 Braunrote Ständelwurz (Epipactis atrorubens).


Trockenwald
Trockenwald auf Unterem Muschelkalk (Oolithbankzone) im Staatsforst Bad Bibra

Trockenwälder

Trockenwälder sind ein botanisch besonders interessanter Waldtyp im mitteldeutschen Trockengebiet. Sie sind oft aus früherer Niederwaldkultur hervorgegangen, was an den mehrstämmigen Bäumen (Stockausschläge) zu erkennen ist. Traubeneiche (Quercus petreae) und Hainbuche (Carpinus betulus) bilden den Kern des Baumbestandes. Oft werden sie von weiteren, sonst seltenen, wärmebedürftigen Bäumen begleitet, beispielsweise Kornelkirsche (Cornus mas), Flaumeiche (Quercus pubescens), Speierling (Sorbus domestica) und anderen Arten.Trockenwälder verzahnen sich oft mit thermophilen Gebüschen, in denen der Wollige Schneeball (Viburnum lantana) eine Charakterart ist.

Trockenwälder auf basischen Böden (vor allem Muschelkalk) fallen auch durch ihren Orchideenreichtum auf. Waldvögelein (Cepahalanthera-Arten) oder Waldhyazinthen (Platanthera-Arten) sind in diesen Wäldern verbreitet, aber nicht auf diesen Waldtypus beschränkt. Im Sommer fruktifizieren in diesen Wäldern seltene Dickröhrlinge mit mediterranem Anstrich, darunter Satanspilz (Boletus satanas) oder Wurzelnder Bitterröhrling (Boletus radicans). Im Spätsommer bis Herbst bilden anderweitig seltene Haarschleierlinge (Gattung Cortinarius) einen sehr interessanten Aspekt der Pilzflora.

Trockenwälder
1) Kornelkirsche (Cornus mas), 2) Traubeneiche (Quercus petreae), 3) Wolliger Schneeball (Viburnum lantana), 4) Bleiches Waldvögelein (Cephalanthera damassonium) und 5) Buche (Fagus silvatica) auf flachgründigem Muschelkalk - ein sehr trockener Standort.