Geologie & Natur in Mitteldeutschland

Prof. Dr. Arnold Müller - Geologe / Paläontologe
Teufelsmauer

Kulturraum Mitteldeutschland

Wachsenburg
Die Wachsenburg bei Arnstadt (Gebiet der "Drei Gleichen") über  Keuper-Badlands. Dom Naumburg
Der Naumburger Dom mit seinen Stifterfiguren ist die "Kathedrale Mitteldeutschlands".

Ein wenig Mittelalter

Eisenzeit, römische Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit waren weitere wichtige Epochen mitteldeutscher Geschichte. An der Art der Landnutzung (und damit Umgestaltung in eine Kulturlandschaft) änderte sich in dieser Zeit wenig. Erst zu Beginn des Hochmittelalters, als die Liudolfinger ("Ottonen") zur Königsmacht gelangten, bekam die Entwicklung der Region neue Impulse. König Heinrich I. (919-936) unterwarf die Slawen östlich der Saale und schuf die Markgrafschaft Meißen mit der Burg Meißen als Zentrum. Otto I. gründete 967/968 das Erzbistum Magdeburg. Die Zeit kann allgemein als eine Art Gründerzeit in Mitteldeutschland angesehen werden, denn zahlreiche Burgen, Klöster und Siedlungen entstanden, darunter Städte mit wichtiger zentraler Funktion, beispielsweise Naumburg mit seinem Dom.

Vor etwa 1.000 Jahren wurde der Weinanbau eingeführt. Er entwickelte sich zu einer landschaftsprägenden Kultur, besonders in Steilhanglagen an Saale und Unstrut. An anderen Orten im heutigen Thüringen oder Sachsen-Anhalt ist er später aufgegeben worden, doch der alte Flurname "Weinberg" zeigt vielerorts noch an, wie weit diese Kultur einmal reichte. Weinbergswirtschaft bietet zahlreichen Wildpflanzen eine Existenz, und manches davon hat sich bis heute halten können. Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und Rodungen für Siedlungsgründungen fanden ebenfalls großflächig statt und veränderten den Natur- zu einem Kulturraum.

Für die ganzen ehrgeizigen Pläne und Bauten brauchte man für Bauzwecke geeignete Natursteine. In weiten Teilen der Region lieferten Triasformationen qualitativ hochwertiges Material, an anderer Stelle wurden Rhyolithe oder Sandsteine aus dem Rotliegend verwendet. Manchmal wurde selbst der für Bauzwecke ungeeignete Zechsteinanhydrit verwendet (Wendelstein). So ist es kein Wunder, dass man überall in der Region auf die Spuren alter Steinbrüche stößt, oft von Wald überzogen und schwer zu erkennen. Alte Steinbruchlandschaften gehören heute zu einem wesentlichen Landschaftsbestandteil, auch wenn man sie unter Bewaldung kaum noch wahrnimmt. Die Vegetation darauf hat oft einen eigenen Charakter.

NeuenburgUnterburg auf dem Kyffhäuser
Die Neuenburg thront über den terrassierten Weinhängen bei Freyburg/Unstrut. Bild daneben: Reste der Unterburg auf dem Kyffhäuser. Im Hintergrund ist das Kyffhäuserdenkmal zu sehen.

Kupferhütte Bottendorf
Die alte Kupferhütte in Bottendorf ist heute Museum. Hier wurde bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts Kupferschiefer vom Bottendorfer Hügel verhüttet. Unstrutschleuse
Schleuse Laucha

Neuzeit

Nach der mittelalterlichen Blütezeit und den herben Einschnitten des Dreißigjährigen Krieges änderten sich die Herrschaftsstrukturen und die Wettiner (Herzöge von Sachsen-Weißenfels) waren für einige Zeit maßgeblich in der Region engagiert. Der Weinanbau wurde im 17. und 18. Jahrhundert stark ausgeweitet und nahm wesentlich größere Flächen als heute ein. Bilder aus dieser Zeit zeigen wesentlich mehr offene Landschaften als heute und die Bewaldung war stark zurückgedrängt. Dazu trug auch die mit großer Intensität betriebene Schafhutung bei, in deren Gefolge sich xerotherme Rasen mit ihrer einzigartigen Flora ausbreiten konnten. Die verbliebenen Wälder wurden vor allem als Brennholzquelle genutzt. Dabei wurden Bäume "auf den Stock geschlagen" und trieben wieder aus, wodurch die interessanten Niederwälder entstanden. Sie erinnern heute in trockenwarmen Lagen an die Steineichenwälder des mediterranen Raumes.

Im 19. Jahrhundert erfolgte ein weiterer wichtiger Umbruch: Unstrut und Saale wurden reguliert und schiffbar gemacht und entwickelten sich zu wichtigen Verkehrswegen. Neue Fernstraßen entstanden und schließlich verdrängte die Eisenbahn die Wasserstraßen als wichtige Verkehrswege. Ende des 19. Jahrhunderts wurde dem Weinbau durch die Einschleppung der Reblaus ein schwerer Schlag versetzt. Innerhalb kurzer Zeit sank die Rebfläche auf unter 100 Hektar. Viele Weinberge fielen brach und wurden von Gebüsch und Trockenwäldern überwuchert. Noch heute findet man in Hangwäldern und Gebüsch die Reste alter Trockenmauern und Terrassen. Nachdem der Entomologe Carl Börner in der Biologischen Reichsanstalt Naumburg reblausresistente Unterlagen für Pfropfreben züchten konnte, lebte der Weinanbau allmählich wieder auf und erstreckt sich heute auf etwa 765 Hektar Fläche. Mit dem Erhalt des Weinanbaus, insbesondere an terrassierten Steilhanglagen, ist ein landschaftsprägendes Element der alten Kulturlandschaft gerettet worden.


Hirschrodaer Graben
Reste der Trockenmauern eines aufgegebenen Weinbergs am Hirschrodaer Grund - heute ein wichtiger Standort von Orchideen und anderen seltenen Pflanzen.

Auf uralten Spuren

Wer heute im mitteldeutschen Trockengebiet unterwegs ist, trifft auf eine uralte Kulturlandschaft. An Saale und Unstrut prägt vor allem der Weinanbau das Bild. Andernorts hat der früher in großem Maße betriebene Obstanbau seine Spuren hinterlassen. Alte Streuobstwiesen, Süßkirschplantagen oder Obstbäume an Wegen und Straßen gehören zum gewohnten Landschaftsbild und beherbergen eine große Vielfalt an Pflanzen, Tieren und Pilzen. Auch die orchideenreichen, xerothermen Rasen sind vielfach das Produkt traditioneller Schaf- und Ziegenbeweidung, egal, ob sie auf Zechsteinanhydriten, Buntsandstein, Muschelkalk oder Keupergipsen angesiedelt sind. Die Verschiedenheit des geologischen Untergrunds hat für zusätzliche Differenzierung und Diversität gesorgt. Alte, verbuschte oder unter xerothermen Niederwäldern verborgene Steinbruchlandschaften gehören ebenfalls zu den biologisch wertvollsten Landschaftsbestandteilen und zeichnen sich durch einzigartige Pilz-, Flechten- und Pflanzengesellschaften aus.

Fazit: Die alten Kulturlandschaften der Region sind heute nicht nur kulturhistorisch interessant, sondern auch landschaftlicher Hintergrund einer hohen biologischen Diversität.

BottendorfSchacht WettelrodeRödel Steinbruchwald
Zu den Spuren einer alten Kulturlandschaft gehören natürlich auch Hinterlassenschaften des Bergbaus und der Steingewinnung. Auf dem Bottendorfer Hügel endete der Kupferschieferbergbau im 18. Jahrhundert. Die dort beheimatete "Schwermetallflora" ist heute Anziehungspunkt für zahlreiche Botaniker. Bei Wettelrode ist der Kupferschieferbergbau erst vor kurzem eingestellt worden, doch die Halden werden bereits von Schwermetall-toleranten Pflanzen erobert. Auf dem Rödel bei Freyburg steht dieses alte Steinkreuz im Niederwald auf einem alten Steinbruchgelände im Muschelkalk.

Wein Schweigenberg

Wein

Die Reblauskatastrophe am Ende des 19. Jahrhunderts hätte fast das Aus für den Weinanbau in Mitteldeutschland bedeutet. Carl Börners Erfolg bei der Schaffung einer reblausresistenten Unterlage und die Ausdauer der Winzer vor Ort haben den Weinanbau erhalten können. Ohne dieses Glück wäre heute bereits ein wesentlicher Teil der alten Kulturlandschaft untergegangen, denn unbewirtschaftete Weinbergsbrachen verbuschen in rasantem Tempo und am Ende verschwinden sie unter dem grünen Pelz sich ausbreitender Wälder. Nur an extrem exponierten Hängen würden kleine Flächen offen bleiben.

Heute hat sich wieder eine lebhafte Weinkultur entwickelt und produziert hochwertige Weine im nördlichsten geschlossenen Anbaugebiet Europas. Der Weinanbau ist auch zu einem wichtigen touristischen Magneten geworden. In Straußwirtschaften und gemütlichen Kneipen wird der "Heimische" ausgeschenkt und schmeckt natürlich auch in der Weinbergsumgebung mit ihrem speziellen Ambiente am besten. So kann man auch manche schöne Exkursion bei einem Glas Wein abschließen und erlebnisreiche Tage Revue passieren lassen - und manche Naturbeobachtungen sind ganz sicher nach 1..2.... Gläsern Silvaner oder Grauburgunder leichter zu deuten und einzuordnen...

 

Quellen:

Bahn, B. W. (2014): Ur- und Frühgeschichte der Kulturlandschaft an Unstrut und Saale.- In: Siegesmund, S.; Hoppert, M. & Epperlein, K.(Hrsg.): Natur - Stein - Kultur - Wein. Zwischen Saale und Unstrut: 93-123, 28 Abb.; Halle/Saale (Mitteldeutscher Verlag).

Bergmeier, E. et al. (2014): Zeigerpflanzen historischer Weinberge und Mauern der Saale-Unstrut-Region.- ebenda: 163-179, 20 Abb..

Deutsch, M.; Reeh, T. & Pörtge, K.-H. (2014): Saale und Unstrut als Wasserwege.- ebenda: 321-338, 11 Abb.

Epperlein, K. (2014): Die Kultur von Reben und Wein in der Region Saale-Unstrut.- ebenda: 339-353, 23 Abb.

Müller, A. (2014): Zur Pilzflora des Saale-Unstrut-Gebietes.- ebenda: 195-219, 25 Abb.

Müller, A.; Bahn, B.; Bergmeier, E., Deutsch, M., Epperlein, K., Reeh, T., Schmitt, R. & Siegesmund, S. (2014): Unterwegs im Saale-Unstrut-Triasland - Naturkundlich-Geschichtliche Exkursionen.- ebenda: 357-412, 95 Abb.

Säckl, J. (2014): 1.000 Jahre Kulturlandschaft an Saale und Unstrut - Aspekte ihrer Entfaltung.- ebenda: 125-148, 9 Abb.