Geologie & Natur in Mitteldeutschland

Prof. Dr. Arnold Müller - Geologe / Paläontologe
Teufelsmauer

Tagebaulandschaften 2: Klassische Fossilfundorte

Rückblick: Fundplätze und Faunen

Wenn man die Museen und Sammlungen der Region durchstöbert, fällt etwas Eigentümliches auf: Vor etwa 1970 ist nur wenig Fossilmaterial aus Leipziger Tagebauen in die Sammlungen gekommen. Manches dann offensichtlich auch noch etwas durcheinander geraten und nicht ganz zuverlässig mit den Funddaten. Das steht in einem merkwürdigen Kontrast zu den schon damals viele Jahrzehnte bestehenden großartigen Möglichkeiten, beispielsweise in den Tagebauen Espenhain und Böhlen. Von Espenhain berichteten mir ältere Kumpel, dass man früher Haizähne eimerweise gefunden und eingesammelt wurde. Das war vielleicht etwas Anglerlatein - jedenfalls ist davon kaum etwas in öffentlichen Sammlungen angekommen.

Erst ab 1970 etwa begann eine regere Sammeltätigkeit und ich hatte damals Kontakt zu einigen Sammlern, deren Sammlungen heute in private Hände gingen. Meine frühere Sammlung ging an das Naturkundliche Museum Mauritianum in Altenburg und ist noch erhalten. Einiges Material wurde von Mitarbeitern des Naturkundemuseums Leipzig gesammelt und bildet dort heute mit der großen, kürzlich übernommenen Sammlung Trostheide einen "Hotspot" Leipziger Materials. Die große Sammlung Piefke (Leipzig) ist nach Süddeutschland verkauft und was aus der Sammlung Haldenwang (Dresden) geworden ist, habe ich nicht mehr verfolgen können. Allen gemein ist aber, dass sie ihren wesentlichen Bestand aus dem Tagebau Espenhain bezogen, während Zwenkau weniger frequentiert wurde und Profen wohl bei Sammlern ganz außen vor war und Cospuden damals noch nicht existierte. Wegen der äußerst schwierigen Betretungserlaubnis für die Tagebaue besuchten die Sammler vor allem die Brückenkippen. Hier waren viele Fossilien zu finden, allerdings unhorizontiert.

Ich selbst hatte über meine Tätigkeit in der Braunkohlenerkundung glücklicherweise Zutritt zu den Tagebauen und konnte ab und zu dann sogar mit einem Geländewagen einfahren und größere Probenmengen zu Schlämmen besorgen. So ist in dieser Zeit eine große Sammlung aus horizontierten Proben entstanden. Nachfolgend einige Bemerkungen zu den drei damals wichtigsten Aufschlüssen.

 

Profen: Floßgrabenloch

Im Nordfeld des Tagebaus Profen bei Pegau wurden in postsedimentären Subrosionssenken ("Löcher") mehrfach ziemlich vollständige Profile der Böhlen-Formation angetroffen. Das "Stöntzscher Loch", wo auch Seekuhreste gefunden wurden, war 1974 bereits Geschichte und überbaggert. Dafür war im "Floßgrabenloch" ein weiterer fossilreicher Aufschluss geschaffen worden, der von mir 1974-1975 untersucht werden konnte. Dort wurden sehr schöne Mollusken, Haizähne und Fischotolithen gefunden.

Profen Flossgrabenloch 1

Profen Arctica-Schill 1 Profen Arctica-Schill 2

Dias von 1975: 1: Teilansicht des Rupelprofils am Floßgrabenloch im Tagebau Profen-Nord; 2: Muschelpflaster mit Schalen der Islandmuschel Arctica islandica rotundata im Muscheschluff, im Objektivdeckel ein Haizahn (Carcharias acutissimus); 3: Arctica-Pflaster im Muschelschluff.

 

Zwenkau: Basissand, Bänderschluff und Phosphorite

Im Tagebau Zwenkau fielen bei einigen Kippenbegehungen immer wieder Fossilien auf, die nicht aus Muschelschluff und Muschelsand stammen konnten. Diese Funde konzentrierten sich auf einen Bereich, der heute weitgehend vom Freizeitpark Belantis eingenommen wird. Also mußte das Profil untersucht werden und die erste Begehung wurde ein Volltreffer. Direkt über dem Böhlener Oberflöz wurden fossilreiche Sande im transgressiven Basisbereich der marinen Schichtenfolge angetroffen, die oben in teilweise feingeschichtete Schluffe übergingen ("Braune Schluffe mit Bänderschluffen" in der Terminologie nach H.-J. Bellmann). Dieser Bereich ist normalerweise durchweg fossilleer und nur an diesem Punkt war die Fülle an gut erhaltenen Fossilien anzutreffen. Einige Zentner des Materials konnte ich dort bergen und schlämmen. Mit diesen Arbeiten wurde die berühmte Zwenkauer "Basissand-Fauna" gewonnen, die viel mit der Fauna der Magdeburger Grünsande verbindet, aber nur relativ wenig mit der jüngeren Fauna aus Muschelschluff und Muschelsand. Die Sande enthielten dort auch mehrere Phosphorithorizonte und eine dieser Phosphoritlagen fiel durch besonders schön erhaltene Krabben (Coeloma) auf.

Zwenkau Profil

4: Das klassische Basisprofil im Tagebau Zwenkau mit der Schichtbezeichnung nach H.-J. Bellmann. Die Grenze Glaukonitschluff-Brauner Schluff bildete einen gefährlichen Rutschungshorizont.

Zwenkau Rutschung 1

5: Beginnende Rutschung - der grünliche Glaukonitschluff beginnt seinen Gleitprozess auf der Oberfläche des Braunen Schluffes, dessen fein gebänderte obere Lagen diesen Prozess noch befördern.

Zwenkau Rutschung 2

6: Fortgeschrittene Rutschung nachbrechenden Grauen Sanden über dem grünen Glaukonitschluff. Die Bilder wurden im Winter 1976 aufgenommen.

 

Espenhain: Krabbenhorizont, Phosphorite, Muschelschluff und Muschelsand

Im Westteil des Tagebaus Espenhain, etwa der Bereich, der heute zum Markkleeberger See gehört, war das eigentliche Standardprofil der oberen Böhlen-Formation aufgeschlossen: die klassische Abfolge von Phsosphoritknollenhorizont, Muschelschluff, Muschelsand, Zwenkauer Horizont und Grauen Formsanden. Im Phosphoritknollenhorizont wurden über die Jahre Tausende von Haizähnen ausgegraben, dazu Reste von Seekühen, Schildkröten und anderen Wirbeltieren. Die kalkhaltigen Sedimente darüber lieferten zahlreiche Muscheln, Schnecken, Fischotolithen u.a. Fossilien. Nach Osten, Richtung Störmthal, wurde die Erhaltung rasch schlechter wegen beginnender Enkalkung der Sedimente.

Espenhain Basisprofil

7: Basisprofil an der Nordwestböschung des Tagebaus Espenhain nach Ende des Abbaus in diesem Bereich (Dia von 1991); 1: Böhlener Oberflöz, 2: Weißer Sand, 3: Transgressionskies Rupelhaupttransgression, 4 Zwenkauer Basissand mit Phosphoriten. Die Phosphorite enthielten die besten Exemplare fossiler Krabben (Coeloma).

Ergebnisse:
In dieser Zeit wurden die meisten Funde zusammengetragen und die Übersichtspublikation MÜLLER, A. (1983) basiert auf dem damals vorhandenen Material.
MÜLLER, A. (1983): Fauna und Palökologie des marinen Mitteloligozäns der Leipziger Tieflandsbucht (Böhlener Schichten).- Altenburger Natureis. Forsch., 2: 1-152.