Mitteldeutsches Trockengebiet: Pilzflora
Wie bunte Wiesenblumen: Keglige Saftlinge (Hygrocybe conica) - typische Pilze auf Magerrasenflächen.
Die Pilzflora des mitteldeutschen Trockengebietes, insbesondere der klimatisch begünstigten Saale-Unstrut-Region oder der Umgebung des Kyffhäusers, bietet zahlreiche Besonderheiten, die das Gebiet deutlich aus seiner Umgebung heraus heben. Dazu tragen auch der geologische Untergrund und die engräumige Differenzierung der Landschaft bei. Die überdurchschnittliche Diversität der Pilzflora der Region ist mit einigen Zahlen zu veranschaulichen: Über 3000 Pilzarten wurden für das Territorium von Sachsen-Anhalt ermittelt. Davon sind 1950 Arten im Saale-Unstrut-Gebiet nachgewiesen worden. Daraus hat man wiederum 102 Arten als bedeutsam für das Gebiet extrahiert (Penke & Täglich, 2008). 1950 Arten in einem flächenmäßig recht begrenzten Territorium, welches nur einen kleinen Teil der Fläche des Bundeslandes ausmacht und mit wald- und pilzreichen Gebieten wie dem Harz verglichen werden muss, bedeutet eine besonders hohe Diversität.
Viele der seltenen Pilze sind sehr klein und führen oft ein verborgenes Dasein. Aber auch unter den Großpilzen finden sich zahlreiche Arten, die nur von wenigen Plätzen bekannt geworden sind. Häufig handelt es sich um besonders wärmebedürftige Arten, beispielsweise aus der Gruppe der Haarschleierlinge (Gattung Cortinarius)
Penke, D. & Täglich, U. (2008): 4.2.1.1 Großpilze und Schleimpilze (Mycota et Myxomycetes). In: Arten- und Biotopschutzprogramm Sachsen-Anhalt. Biologische Vielfalt und FFH-Management im Landschaftsraum Saale-Unstrut-Triasland.- Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Sonderheft 1 / 2008: 127-138.
1) Braungrüner Zärtling (Entoloma incanum), 2) ?Safrangelbe Wiesenkoralle (Ramariopsis cf. crocea), 3) Amethystfarbene Koralle (Ramariopsis pulchella), 4) Purpur- Schneckling (Hygrocybe russula), 5) junger Buchenklumpfuß (Cortinarius anserinus) mit gut sichtbarem Schleier, 6) violetter Klumpfuß (Cortinarius sodagnitus), unterscheidet sich durch leuchtend rote KOH-Reaktion auf der Huthaut von ähnlichen Arten.
Maipilze (Calocybe gambosa) bilden große Hexenringe in den Rasenflächen.
Pilze naturnaher oder xerothermer Rasen
Xerotherme Rasen auf sonnenexponierten Hängen vermitteln im ausgedörrten Sommeraspekt den Eindruck, als könnten dort kaum Pilze wachsen. Der Eindruck täuscht - in feuchten Wetterphasen kann man dort durchaus eine große Artenzahl von Pilzen finden. Das geht im Frühling los mit verschiedenen Rötlingen (Entoloma) und Ackerlingen (Agrocybe). Auch die Fruchtkörper der Stielboviste (Tulostoma) sind im zeitigen Frühjahr zu finden. Etwas später fruktifizieren Maipilze (Calocybe gambosa) und bilden oft Hexenringe von mehreren Metern Durchmesser, begleitet von Schwindlingen (Marasmius) und anderen Gruppen. Ist der Sommer feucht genug, findet man diverse Saftlinge (Hygrocybe), Champignons (Agaricus), Tintlinge (Caprotinus) u.a. Gruppen. Im Herbst geht es mit Saftlingen und Ellerlingen (Hygrocybe), Trichterlingen (Clitocybe), Scheintrichterlingen (Pseudoclitocybe) und vielen anderen Gruppen weiter. Dann erreicht die Fruktifikation einen Höhepunkt, sofern es feucht genug ist.
Ein Teil der Fruktifikation spielt sich unterirdisch (hypogäisch) ab. Verschiedene Trüffeln oder trüffelartige Pilze sind in den Rasen verbreitet. Eine andere interessante Gruppe ist die Gattung Ramariopsis (Wiesenkeulen) mit mehreren seltenen Arten.
1) Der sehr seltene Steppentrichterling (Clitocybe glareosa) ist nur von wenigen Punkten bekannt geworden. 2) Wurmförmige Wiesenkeule (Clavaria fragilis); 3) Papageien-Saftling (Hygrocybe psittacina) und 4 Wiesen-Ellerling (Camarophyllus oder Hygrocybe pratensis).
Netzstiel-Hexenröhrling (Boletus luridus) - eine häufige Art auf basischen Böden.
Dickröhrlinge (Boletus-Arten)
Dickröhrlinge der Gattung Boletus bilden einen wichtigen und (wegen ihrer Größe) auffälligen Teil der Pilzflora heimischer Wälder. Netzstiel-Hexenröhrling (Boletus luridus) oder Sommersteinpilz (B. reticulatus) sind auf basischen Böden verbreitet und charakteristische Sommerpilze der Laubwälder, insbesondere der Eichen-Hainbuchenwälder auf Muschelkalk oder Löss.
Neben den häufigen Arten kommen in den thermophilen Wäldern Mitteldeutschlands aber auch seltene bis sehr seltene Arten vor, die der Pilzflora einen etwas mediterranen Anstrich geben. Dazu gehören der Satanspilz (Boletus satanas), der Wurzelnde Bitterröhrling (B. radicans), der Schwarzhütige Steinpilz (B. aereus), der Silberröhrling (B. fechneri) und weitere seltene Arten.
Habituell den Dickröhrlingen nahestehend, aber zu anderen Gattungen gestellte Arten vervollständigen die Palette seltener Röhrlinge, wie etwa Goldporiger Röhrling (Pulveroboletus gentilis), Hasen-Röhrling (Gyroporus castaneus) oder Schwarzblauender Röhrling (Xerocomus pulverulentus).
1) Sommer- oder Eichen-Steinpilzt (Boletus reticulatus), 2) Satanspilz (B. satanas), 3)Wurzelnder Bitterröhrling (B. radicans), 4) Blasser oder Blasshütiger Röhrling (B. depilatus) und 5) Anhängsel-Röhrling (B. appendiculatus).
Der Hainbuchen-Raufuß (Leccinum griseum) ist an die Hainbuche (Carpinus betulus) gebunden. Unter günstigen Bedingungen kann die Art in manchen Wäldern massenhaft fruktifizieren.
Eichen-Hainbuchenwälder auf basischen Böden
Thermophile Traubeneichen-Hainbuchenwälder sind ein interessanter Waldtyp in der Saale Unstrut-Region. In sonnenexponierten Lagen auf flachgründigen Muschelkalkböden sind sie oft als Trockenwald entwickelt, auf Löss in weniger stark exponierten Lagen als mesophile Wälder. Eichen und Hainbuchen, stellenweise auch Linden, Rotbuchen oder Eschen, ziehen zahlreiche Pilzarten als Mykorrhizapartner an. Unter günstigen Witterungsbedingungen fruktifizieren viele Arten. Schon im Frühling fallen oft stark gefärbte Becherlinge, Borstlinge oder Helmlinge auf - überwiegend kleinwüchsige Arten. Unter Eschen sprießen verschiedene Morcheln. Im Sommer bilden neben den Dickröhrlingen (Boletus) diverse Wulstlinge (Amanita), Täublinge (Russula), Trichterlinge (Clitocybe) oder Champignons (Agaricus) einen wichtigen Teil der Pilzflora, gefolgt von Schnecklingen (Hygrophorus), Fälblingen (Hebeloma), Ritterlingen (Tricholoma) und vielen anderen Gruppen im Herbst. Dann ist auch die Hauptzeit der Haarschleierlinge (Cortinarius), eine artenreiche Gruppe mit eine großen Zahl seltener Arten im Gebiet.
1) Maires Milchling (Lactarius mairei) zeichnet sich durch eine sehr zottige Hutoberfläche aus und ist eine sehr seltene Art. 2) Auch der Stachelschuppige Wulstling (Amanitastrobiliformis) gehört zu den seltenen Arten. 3) Die Graukappe (Clitocybe nebularis) ist eine Charakterart der Wälder auf Muschelkalk im Herbstaspekt. 4) Trockener Saftling (Hygrophorus penarus), eine seltenere Art der herbstlichen Schnecklingsgemeinschaften. 5) Birnen-Risspilz (Inocybe fraudans) besitzt einen unverkennbaren Geruch.
Junger Fruchtkörper des Eichen-Leberpilzes (Fistulina hepatica)
Baumpilze
Ein gewichtiger Teil der Pilze lebt saprophytisch auf abgestorbenem Holz. Andere Arten parasitieren an lebenden Bäumen oder Sträuchern. "Holzpilze" fruktifizieren oft noch in trockeneren Wetterabschnitten, da sie im Holz einen gewissen Feuchtigkeitsspeicher vorfinden.
Neben allgemein verbreiteten Arten kommen in den wärmebegünstigten Wäldern der Regionen auch Arten vor, die andernorts eher selten sind, oder seltene Arten mit Hauptverbreitung im mediterranen Raum. Relativ regelmäßig, aber keineswegs häufig trifft man an Eichen den Eichen-Leberpilz (Fistulina hepatica) an. Die jungen Fruchtkörper sind oft intensiv rot und werden mit zunehmendem Alter dunkler. Ebenfalls an Eichen und schon deutlich seltener kommt der Tropfende Schillerporling (Ionotus dryadeus) vor. Der Rotporige Feuerschwamm (Phellinus torulosus) ist ein seltener Eichenbegleiter und vor allem in mediterranen Steineichenwäldern verbreitet.
An Holz kommen natürlich auch zahlreiche weitere Pilze vor. Die meisten Arten sind nicht nur in der Region verbreitet, sondern allgemein in Mitteleuropa mehr oder weniger häufig zu finden. Dazu gehören Helmlinge (Mycaena), Hallimasche (Armillaria), Porlinge, Trameten und diverse weitere Gruppen.
1) Tropfender Schillerporling (Ionotus dryadeus) an einem Eichenstamm. 2) Der seltene Rotporige Feuerschwamm (Phellinus torulosus) kommt in wärmebegünstigten Wäldern an Eichen vor. 3) Zinnoberrote Tramete (Pycnoporus cinnabarinus) an Süßkirschenast. Der Pilz ist farblich auffällig und nicht selten. 4) Unterseite des seltenen Weitlöchrigen Stielporlings (Polyporus arcularius) mit zottigem Hutrand (an Haselstrauch).
Wildschwein-Gürtelfuß (Cortinarius aprinus)
Haarschleierlinge (Cortinarius)
Die Haarschleierlinge der Gattung Cortinarius sind die artenreichste Gruppe mitteleuropäischer Pilze. Die Gattung selbst wird in mehrere Untergattungen untergliedert. Haarschleierlinge bilden eine sehr schwierige Gruppe und ohne mikroskopische Untersuchung ist eine eindeutige Bestimmung oft nicht möglich. Selbst wenn man solche Untersuchungen unternimmt, kommt man zuweilen nicht zum Ziel. Ein wichtiger Grund ist die widersprüchliche Interpretation und Abgrenzung von Arten oder Artengruppen. Inzwischen haben sich international regelrechte "Schulen" herausgebildet, welche oft kontroverse Standpunkte beziehen. Manche Pilzexperten suchen inzwischen einen Ausweg darin, mit exakt dokumentierten Kollektionen zu arbeiten, welche man provisorisch bestimmten Gruppen ("Aggregaten") zuordnet.
Trotz der taxonomischen Probleme sind die Haarschleierlinge eine sehr interessante Gruppe. Viele davon sind ausgesprochen wärmebedürftig und kommen inselartig in den besonders wärmebegünstigten Wäldern der Region vor. Manche Arten sind nur von zwei oder drei Standorten bekannt. Die Pilze sind oft auch auffällig gefärbt und werden deshalb sicher kaum übersehen.
1) Natternstieliger Schleimfuß (Cortinarius trivialis), ein häufigerer Vertretern der Gruppe. 2) Der seltene Feuerfüßige Gürtelfuß (C. bulliardi) ist lebhaft gefärbt. 3) Cortinarius rufoolivaceus beginnt mit blauvioletten Farbtönen und wechselt mit zunehmender Reife zu rotvioletten Farben. 4) Ein blauerKlumpfuß (C. terpsichores)
Gruppe des Ringlosen Butterpilzes (Suillus fluryi).
Steinbruchpilze
Kalksteinbrüche gehören zu den besonderen Pilzstandorten. Ihre Pilzflora rekrutiert sich in erster Linie aus Arten der Kalkmagerrasen, welche in den kargen Geröllfluren der Brüche ihr Auskommen finden. Die Myzele durchziehen den Gerölluntergrund oder Klüfte und Fugen im Gestein. Dann erscheinen die Fruchtkörper zuweilen aus dem blanken Fels. Natürlich ist das Pilzleben besonders dann recht reich, wenn Mykorrhizapartner zur Verfügung stehen. In den Muschelkalkbrüchen sind es vor allem Kiefern oder Birken.
Sind Kiefern in der Nähe, kommen Ringloser Butterpilz (Suillus fluryi) und weniger häufig Körnchenröhrling (S. granulosus) vor, vergesellschaftet mit dem Kupferroten Gelbfuß (Chroogomphus rutilus). Im Herbst tauchen die Erdritterlinge (Tricholoma-Arten) oft in großen Mengen auf, an Laubbäumen auch Fälblinge (Hebeloma). An manchen Stellen durchbrechen Wurzeltrüffeln das Geröll. An moosigen, etwas beschatteten und nicht extrem trockenen Flecken erscheinen im Herbst einige Saftlinge, kleine Ellerlinge und andere Gruppen. Der kleine Zitzen-Stielbovist (Tulostoma brumale) fruktifiziert in milden Winterphasen. Das Pilzleben in den Steinbrüchen ist also sehr vielfältig, wozu sicher das milde Mikroklima beiträgt.
1) Kupferroter Gelbfuß (Chroogomphus rutilus), 2) Zitronengelber Saftling (Hygrocybe cf. citrina), 3) Rötliche Wurzeltrüffel (Rhizopogon roseolus) und 4) Zitzen-Stielbovist (Tulostoma brumale). Hier wächst ein Exemplar aus dem Fruchtkörper eines anderen Exemplars - ein seltener Anblick .5) Ein kleiner Saftling (Hygrocybe sp.)
Körnchenröhrling (Suillus granulosus).
Kieferngruppen auf Muschelkalk
Kiefern kommen noch auf sehr mageren und trocknen Flächen auf Muschelkalk vor. Sie ziehen dort eine größere Zahl von Pilzen förmlich an, die als Mykorrhizapartner mit den Kiefern in diesen Flächen einwandern. Ab Sommer fruktifizieren Ringloser Butterpilz (Suillus fluryi), Körnchenröhrlinge (S. granulosus) und Kupferrote Gelbfüße (Chroogomphus rutilus). Schon etwas eher erscheint der Amethystfarbene Kronenbecherling (Sarcosphaera coronaria). Diese Gruppe begleitet die Kiefern bis in die Steinbruchlandschaften.
Im Herbst wird die Palette noch vielfältiger. Dann bildet beispielsweise der Fastberingte Ritterling (Tricholoma fracticum) zuweilen riesige Hexenringe. Der Anblick der Pilzmassen täuscht dann etwas bezüglich der Häufigkeit, denn der Pilz ist andernorts eher selten. Auch der Große Kiefernschneckling (Hygrophorus latiabundus) fruktifiziert bei Kiefern, ist aber deutlich seltener. Erdritterlinge kommen im Oktober oft in Massen vor, am häufigsten der Gemeine Erdritterling (Tricholoma terreum). Dazu gesellen sich Saftlinge, Ellerlinge, Milchlinge und zahlreiche andere Gruppen. In loser Formation auf Xerothermrasen stehende Kiefern sind deshalb ein interessantes Gebiet für Pilzfreunde.
1) Fastberingter Ritterling (Tricholoma fracticum), eine recht große, derbe Art der Gattung, 2) Großer Kiefernschneckling (Hygrophorus latiabundus), der vielleicht größte heimische Schneckling, 3) Amethystfarbener Kronenbecherling (Sarcosphaera coronaria) und 4) Kiefernzapfen-Rübling (Strobilurus stephanocystis).